Wenn es nicht mehr weitergeht

08. Sep 2024

von Christian Göttemann

Gedanken zum Welt-Suizid-Präventionstag am 10. September

10. November 2009. Eine Nachricht erschüttert nicht nur Fußballfans: Robert Enke, der Keeper von Hannover 96, hat sich im Alter von 32 Jahren das Leben genommen. In einer Pressekonferenz wird bekanntgegeben, dass er seit 2003 mehrfach wegen Depressionen in psychiatrischer Behandlung gewesen ist. In seinem Abschiedsbrief bittet er Angehörige und Ärzte um Verzeihung.

Laut Statistischem Bundesamt starben in Deutschland im Jahr 2022 insgesamt 10.119 Menschen durch Suizid – das waren fast 28 Personen pro Tag. Ich selbst musste in der Vergangenheit im familiären Umfeld zwei Fälle von Suizid erleben. Auch in meinem gemeindlichen Kontext nahm sich ein junger gläubiger Mann – er war bereits seit geraumer Zeit in Behandlung – das Leben. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, als ich von seinem Tod erfuhr, war: „Sch…, die Krankheit hat gesiegt.“

Die Mehrheit der Menschen, die durch Suizid sterben, haben an einer psychiatrischen Erkrankung gelitten (ca. 90%), am häufigsten an einer Depression (> 50%). Aber auch Traumata, Einsamkeit, schwere chronische Erkrankungen, chronische Schmerzen, persönliche Krisen- oder Verlusterfahrungen können zum versuchten oder vollendeten Suizid führen.

Was kann ich tun? Was kann jeder von uns tun?

  • Sich selbst und andere in Bezug auf das Thema informieren und sensibilisieren!
  • Äußerungen und Andeutungen in Richtung Suizid unbedingt ernstnehmen!
  • Das Thema ansprechen! In ruhiger, sachlicher Weise. Die Befürchtung, man könne dadurch den Suizid erst provozieren, ist falsch. In aller Regel stellt es für den suizidgefährdeten Menschen eine Entlastung dar, mit jemandem über die quälenden Gedanken sprechen zu können.
  • Die Nummer der Telefonseelsorge (anonym, kostenlos, rund um die Uhr) im Smartphone speichern, um sie weitergeben oder mit dem Gefährdeten anrufen zu können: 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222. Es gibt auch regionale Krisendienste.
  • Eventuell zum Arzt oder in die Klinik begleiten.
  • In akuten Situationen, wenn ein Mensch in keiner Weise mehr für ein Gespräch erreichbar ist und nicht bereit ist, gemeinsam Hilfe aufzusuchen: den Notarzt rufen, Zeit gewinnen, den betroffenen Menschen bis zum Eintreffen des Notarztes nicht alleine lassen.

Grundsätzlich gilt: Wir haben uns das Leben nicht selbst gegeben – wir sollten es uns auch nicht selbst nehmen. Dennoch gilt es, einen Menschen, der keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat, nicht zu verurteilen.

Der deutsche Theologe und Schriftsteller Jochen Klepper – einer der bedeutendsten Dichter geistlicher Lieder des 20. Jahrhunderts – litt viel unter Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde er wegen seiner „nichtarischen“ Ehefrau und der beiden Töchter, die sie in die Ehe mitgebracht hatte, drangsaliert. Er musste damit rechnen, dass seine „Mischehe“ zwangsweise geschieden werden sollte. Frau und Töchtern drohte die Deportation. In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 nahm sich die Familie gemeinsam das Leben. Die letzte Eintragung im Tagebuch Kleppers lautet: „Nachmittags die Verhandlung auf dem Sicherheitsdienst. Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“

Die Beisetzung des jungen Mannes stand unter dem Bibelvers „Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Mächte, weder Höhe noch Tiefe noch irgendein anderes Geschöpf uns wird scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Röm 8,38-39)

Auch keine Depression. Auch keine Kurzschluss-Handlung. Auch keine Verzweiflungstat. Nicht die Krankheit hatte gesiegt. Jesus ist der Sieger!

Christian Göttemann
Christian Göttemann

Christian Göttemann

Mitarbeiter im ChristusForum Deutschland


RAT UND NOTHILFE BEI SUIZID-GEFAHR UND DEPRESSIONEN

  • Bei Suizidgefahr: Notruf 112
  • Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
  • Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
  • Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
  • In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
  • Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).


Titelfoto: Pixabay hhach

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