Stellungnahme zum Ökumenischen Rat der Kirchen

06. Jun 2020

von Geschäftsführung und Theologischer Ausschuss im ChristusForum Deutschland

Anregung zur Auseinandersetzung mit dem ÖRK

Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. (BEFG) möchte im Rahmen der Bundeskonferenz im Mai 2020 den Antrag zur Aufnahme in den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) beschließen. Dafür sind alle Gemeinden aufgerufen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen und entsprechend abzustimmen. Wir nehmen in manchen Gemeinden Vorbehalte gegenüber diesem Schritt wahr, die wir nachvollziehen können. Der BEFG hat in dem Zuge ein kleines „Handbuch für Gemeinden“ herausgegeben, in das auch Fragen aus dem ChristusForum eingeflossen sind.

Im Folgenden gehen wir noch auf einige weitere Punkte ein.

  • Zunächst ist festzuhalten, dass der BEFG als Körperschaft dem ÖRK beitritt, nicht die einzelne Ortsgemeinde. Sie wird in ihrer biblisch-theologischen Sicht und Gemeindepraxis zunächst in keiner Weise davon berührt oder gar bevormundet.

  • In unseren Gemeinden sind u.a. Geschwister zu Hause, die bewusst aus einer Mitgliedskirche des ÖRK ausgetreten und in eine unserer Gemeinden gewechselt sind, weil sie mit Lehre oder Praxis ihrer ehemaligen Kirche nicht einverstanden waren. Die Mitgliedschaft des BEFG im ÖRK bedeutet nicht, dass wir damit unbiblische Lehren anderer Kirchen anerkennen oder relativieren. Wir können weiterhin alles, was wir als biblisch erkannt haben, lehren und leben. Die Mitgliedskirchen müssen einander nicht als „Kirchen im vollen und wahren Sinne“ anerkennen. Aber sie erkennen an, dass sich auch in anderen Kirchen „Elemente der wahren Kirche“ finden (Toronto-Erklärung von 1950). Gottes Volk in dieser Welt ist größer als unsere Ortsgemeinde und auch als unser Gemeindebund.

  • Das Anliegen des ÖRK ist nicht eine allgemeine Toleranz, sondern die Förderung eines biblischen Bewusstseins: Teil der Gemeinde Jesu zu sein, ist immer umfassender als die Mitgliedschaft in der eigenen Gemeinde oder Konfession. Das scheint uns in unserer pluralistischen Zeit eine Selbstverständlichkeit zu sein, war es aber historisch gesehen leider überhaupt nicht, wenn man sich das Verhältnis der christlichen Konfessionen z.B. während und nach der Reformation vergegenwärtigt. Auch in der Geschichte unserer Gemeindebewegung gab es Zeiten, in denen sehr geringschätzig auf Mitglieder anderer Konfessionen herabgeblickt wurde.

  • Besonders große Vorbehalte gibt es gegenüber einer Zusammenarbeit mit der Römisch-Katholischen Kirche. Diese ist jedoch kein Mitglied im ÖRK und kann dort nicht mitentscheiden. Tatsache ist, dass in bestimmten Fragen nach Übereinstimmung gesucht wird. So hat der ÖRK z.B. 2011 zusammen mit dem Vatikan und der Weltweiten Evangelischen Allianz eine gemeinsame Erklärung zur Ethik der Mission herausgegeben (Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt).

  • Der ÖRK ist keine „Überkirche“ oder „Weltkirche“ und strebt auch nicht die Einheit aller Gläubigen oder ihres Bekenntnisses auf organisatorischem Weg an. Stattdessen ist er ein Forum, bei dem durch Begegnung und gegenseitigen Austausch das Verständnis füreinander wachsen und das Lernen von den Erkenntnissen und Erfahrungen der Christen anderer Kirchen gefördert werden soll. So können z.B. Kirchen im Westen von asiatischen Gemeinden lernen, was es bedeutet, das Evangelium in einer multireligiösen Gesellschaft angemessen zu verkündigen.

  • Die z.T. heftigen Auseinandersetzungen pro und contra Ökumene in der Vergangenheit fanden auf dem Hintergrund des kalten Krieges und der Dekolonisation statt. So engagierte sich der ÖRK aktiv bei der Überwindung der Apartheid in Südafrika und unterstützte Befreiungsbewegungen in Lateinamerika, Asien und Afrika. Dieser Kurs war auch innerhalb des ÖRK umstritten und jede Mitgliedskirche hatte und hat das Recht, entsprechende Kritik zu üben. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Rat von solchen revolutionären Tendenzen verabschiedet. Er setzt sich aber weiterhin für Menschen in Unterdrückung, Ausgrenzung und Armut ein und ist aktiv an Friedens- und Versöhnungsinitiativen beteiligt, z.B. in Kolumbien, Sudan oder Korea.

  • Auch heute findet man kritikwürdige Dokumente, die vom ÖRK (oder zumindest Teilen des ÖRK) herausgegeben werden. Für viele (auch innerhalb des ÖRK) sind besonders die Stellungnahmen zum Israel-Palästina-Konflikt ein Anstoß. Wir erwarten, dass sich die Vertreter unseres Bundes hier entsprechend unseren Überzeugungen für ausgewogene und biblische Positionen einbringen.

  • Da sich der ÖRK auch um Dialog mit Menschen anderer Religionen bemüht, muss er sich immer wieder den Vorwurf des Synkretismus gefallen lassen. Im Gegensatz zu früheren Anlässen wurden bei der letzten Vollversammlung 2013 keine Zeremonien anderer Religionen mehr vollzogen. Eine etwaige Wiederaufnahme solcher Praktiken sehen wir sehr kritisch. Der ÖRK versteht sich ausdrücklich als „eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Basis des Ökumenischen Rates der Kirchen, Neu-Delhi 1961). Eine „Ökumene der Religionen“, wie sie mancherorts praktiziert wird, lehnen wir ab.

  • Angesicht der Säkularisierung und Pluralisierung unserer Gesellschaft sehen sich viele Gemeinden vor der Herausforderung, den Gehorsam zu unserem Herrn Jesus und die Autorität des Wortes Gottes gegen wachsenden Widerstand (z.T. auch innerhalb der Kirchen) festzuhalten. Unser Ziel ist ein klares biblisches Profil bei gleichzeitiger Liebe zu Gläubigen mit abweichenden theologischen Positionen, so wie wir es im Neuen Testament finden.

  • Auch bei einem Beitritt des BEFG zum ÖRK wird weiterhin jede Gemeinde für sich entscheiden, ob und in welcher Weise sie mit anderen Christen vor Ort zusammenarbeitet. In vielen Situationen scheint uns die Evangelischen Allianz der passende Rahmen zu sein, in dem eine vertrauensvolle und fruchtbringende Zusammenarbeit möglich ist, weil hier die Einheit in wesentlichen Fragen gegeben ist.

  • Die Impulse aus dem ökumenischen Gespräch innerhalb des ÖRK können zur Reflexion und Horizonterweiterung anregen, besonders wenn es um gesellschaftliche und globale Herausforderungen geht, wie den Frieden, die Gerechtigkeit und den verantwortungsvollen Umgang mit Gottes Schöpfung.

  • In Artikel 23 der Verfassung des BEFG ist festgelegt: „Die Arbeitsgemeinschaft der Brüdergemeinden (jetzt ChristusForum Deutschland) entscheidet selbst ... über ihre Beteiligung an überkonfessionellen und internationalen Zusammenschlüssen.“ Das gibt uns Freiheit, die zukünftige Entwicklung der ökumenischen Zusammenarbeit zu beobachten und nur Schritte zu gehen, die mit unserem Selbstverständnis vereinbar sind.

Die Stellungnahme zum Download befindet sich hier.

David Kröker


Geschäftsführung

und Theologischer Ausschuss im ChristusForum Deutschland


Bildnachweis: Photo by Jeff Sheldon on Unsplash

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